Am 9. November gedenkt Niederösterreich jener Nacht, in der Hass und Aggression eine neue, entsetzliche Dimension erreichten. Am 9. und 10. November 1938 entlud sich der nationalsozialistische Rassenwahn im gesamten „Großdeutschen Reich“ – und damit auch in Österreich – in einer Gewaltorgie gegen die jüdische Bevölkerung. Synagogen brannten, Geschäfte und Wohnungen wurden geplündert, Menschen misshandelt, verschleppt oder ermordet.
Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner erinnert an die Ereignisse und mahnt zugleich zur Verantwortung: „Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 steht für den Übergang von der Diskriminierung zur Vernichtung – und auch für das Versagen einer Gesellschaft, die schon zuvor weggesehen hatte. Wir müssen diese Erinnerung wachhalten und Verantwortung übernehmen. Gedenken darf kein Ritual sein, sondern muss Mahnung bleiben: Antisemitismus, Hass und Geschichtsvergessenheit dürfen in unserem Land nie wieder Platz finden. Wenn heute Jüdinnen und Juden auf unseren Straßen beschimpft werden, dann ist das ein Angriff auf unsere Werte und auf unsere gemeinsame Verantwortung als Gesellschaft. Wir müssen zeigen, wo wir stehen: an der Seite jener, die bedroht werden. ,Nie wieder´ darf kein Satz für Gedenktage bleiben, sondern ein Versprechen, das wir jeden Tag einlösen.“
Heute, 87 Jahre später, ist das Gedenken an die Opfer der Novemberpogrome ein zentraler Bestandteil der niederösterreichischen Erinnerungskultur. In ganz Niederösterreich werden in diesen Tagen Zeichen des Erinnerns und der Verantwortung gesetzt – in Schulen, Museen, Synagogen und im öffentlichen Raum.
Ein besonderer Ort des Gedenkens ist die Ehemalige Synagoge St. Pölten, die heute als Ort der kulturellen Begegnung, des Forschens, Lernens und Erinnerns dient. Sie steht wie kaum ein anderer Platz in Niederösterreich für die Verbindung von historischer Aufarbeitung, kultureller Bildung und künstlerischer Auseinandersetzung. Am Sonntag, dem 9. November 2025, um 18 Uhr, findet dort in Kooperation mit dem Institut für jüdische Geschichte Österreichs und dem KlezMORE Festival Vienna der Gedenkabend „Gesänge des Trostes und des Überlebens“ statt – ein Programm, das Musik, Dichtung und Erinnerung vereint. Komponist Michael Mautner und das Ensemble Reihe Zykan + widmen sich den Texten der Schriftstellerinnen Ilse Weber und Elfriede Gerstl – zwei Stimmen, die das Grauen des Holocaust literarisch überlebten und in Trost, Schmerz und Hoffnung verwandelten. Nach der Veranstaltung werden bei den Steinen der Erinnerung Gedenkkerzen entzündet und weiße Rosen niedergelegt – ein stilles Zeichen gegen das Vergessen, zu dem auch alle Bürgerinnen und Bürger eingeladen sind, es in ihrer Nachbarschaft fortzusetzen.
Darüber hinaus beleuchtet die Ausstellung „Blick in den Schatten. St. Pölten und der Nationalsozialismus“ im Stadtmuseum St. Pölten (verlängert bis 28. Dezember 2025) die Vorgeschichte, Auswirkungen und Nachwirkungen des NS-Regimes in der Landeshauptstadt. Sie versteht sich als Anstoß zu unbequemen, aber notwendigen Diskussionen – über Verantwortung, Zivilcourage und den Wert unserer Demokratie.
„Erinnern für die Zukunft“ bedeutet, das Gedenken lebendig zu halten – nicht nur als Rückblick auf die Geschichte, sondern als Verpflichtung, Menschlichkeit und Demokratie jeden Tag neu zu verteidigen.

