04.09.2015 | 14:05

Buchenwälder in Oberösterreich und Niederösterreich sollen Österreichs erstes Weltnaturerbe werden

LR Pernkopf: Nationalpark Kalkalpen und Wildnisgebiet Dürrenstein nominiert

5.250 Hektar alte Buchenwälder im Nationalpark Kalkalpen und 1.965 Hektar im Wildnisgebiet Dürrenstein sollen Österreichs erstes Weltnaturerbe werden. Diese Wälder in Ober- und Niederösterreich wurden dem Welterbekomitee in Paris zur Aufnahme in die UNESCO-Liste der Weltnaturerbestätten vorgeschlagen.

„Das grenzüberschreitende Projekt zum Schutz der Buchenwälder sichert kostbares Naturerbe für die Zukunft und schützt seltene Tierarten. Wir zeigen somit vor, dass Naturschutz nicht an Landesgrenzen endet und wir unser Naturerbe nur gemeinsam bewahren können. Ich bedanke mich für die ausgezeichnete Zusammenarbeit, auch über vom Menschen gezogene Grenzen hinweg", betont Naturschutz-Landesrat Dr. Stephan Pernkopf.

Es handelt sich um eine gemeinsame Bewerbung von elf europäischen Ländern. Österreich koordinierte die Einreichung und spielt damit eine wichtige Rolle bei diesem einzigartigen grenzüberschreitenden Projekt zum Schutz der Buchenwälder. Die offizielle Nominierung bei den Vereinten Nationen soll im Februar 2016 erfolgen. Damit kann sich Österreich in die prominente Liste der Weltnaturerbestätten wie dem Great Barrier Reef, dem Yellowstone National Park oder den Galapagos-Inseln einreihen.

Bundesminister DI Andrä Rupprechter: „Das Prädikat Weltnaturerbe ist eine besonders hohe Auszeichnung und trägt zum Imagegewinn in den betreffenden Regionen bei. Die Nominierung der heimischen Buchenwälder bedeutet auch Chancen für den Tourismus, das Wichtigste ist jedoch der Schutz dieser einzigartigen Naturdenkmäler. Das ist eine große Verantwortung nicht nur für Staaten oder Bundesländer, sondern für jeden einzelnen."

Die nominierten Waldgebiete wurden von Experten ausgewählt und auf die nationale Vorschlagsliste gesetzt. Das Antragsverfahren an die UNESCO ist äußerst anspruchsvoll und erfordert eine qualifizierte Vorbereitung. Deutschland, die Ukraine und die Slowakei haben ihre Buchenwälder bereits als Welterbe bestätigt bekommen. Die besondere Herausforderung lag in der gemeinsamen Einreichung. 2012 startete ein Auswahlverfahren unter der Leitung Deutschlands, ab dem Jahr 2014 übernahm Österreich die Rolle des „Lead Partners" und koordinierte die Einreichung der Gebiete.

Insgesamt wurden 32 Gebiete aus Albanien, Belgien, Bulgarien, Italien, Kroatien, Österreich, Polen, Rumänien, Slowenien und der Ukraine vorgeschlagen.

Früher beherrschten Buchenwälder das Landschaftsbild Mitteleuropas, heute sind davon nur noch wenige in ihrer ursprünglichen Form erhalten.

Der Wald des Wildnisgebietes Dürrenstein ist bekannt als der größte Buchenwald der Alpen, der sich vollkommen ungestört entwickeln durfte. In der Kernzone des Gebietes sind Buchen mit einem Alter von 400 bis 500 Jahren zu finden. Das Gebiet steht unter strengem Schutz und der Zugang ist stark reguliert, um den menschlichen Einfluss weiterhin so gering wie möglich zu halten.

Im Nationalpark Kalkalpen wurden 26 Prozent des Waldes als Naturwald eingestuft. Dessen hohes Alter, geringe Nutzung und schwere Erreichbarkeit lassen darauf schließen, dass ein großer Teil sogar als Urwald bezeichnet werden kann. Untersuchungen zeigten, dass etwa 51 Prozent des Waldes im Nationalpark älter als 160 Jahre sind. Ein Highlight ist die mit 525 Jahren älteste Buche der Alpen.

Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer: „Der Nationalpark Kalkalpen ist Österreichs größter Wald-Nationalpark. Mit der Bewerbung zum Weltnaturerbe Buchenwälder gemeinsam mit dem Land Niederösterreich wird ein weiterer Schritt gemacht, der den Naturschutz stärkt und gleichzeitig eine weitere Visitenkarte unseres Landes über die Grenzen hinaus sein wird."

Das UNESCO-Welterbeübereinkommen stellt herausragende, einmalige Natur- und Kulturgüter unter weltweiten Schutz. Weltnaturerbe ist ein Qualitätsmerkmal für die ganze Nation. Welterbe-Stätten verstehen sich als „Leuchtturm" für die Qualität der Natur und unterstützen Regionalwirtschaft, Tourismus, Wettbewerbsfähigkeit  und fördern die Attraktivität ganzer Landschaften. Die Auszeichnung erfolgt nach strenger fachlicher Prüfung. Die Buchenwald-Gebiete von „außergewöhnlich, universellem Wert" stehen damit international für intakte Natur, saubere Umwelt und ein authentisches Naturerlebnis.

Mit 20.850 Hektar und 80 Prozent Waldanteil ist der Nationalpark Kalkalpen der größte und bedeutendste Wald-Nationalpark Österreichs. Er wird jährlich von rund 370.000 Besuchern frequentiert. Wandern, Bergsteigen, Radfahren und  Mountainbiken sind die populärsten Aktivitäten. Jährlich nehmen 120.000 Besucher an den Angeboten wie geführte Touren, Wildnis-Expeditionen, Fachexkursionen, Schneeschuhwanderungen oder an den Schulprogrammen teil. Eine besondere Spezialität ist hier das Beobachten der Natur. Wo einst die Waldbahn fuhr, Forststraßen und Stollen in den Fels getrieben wurden, ist heute die Wildnis zurückgekehrt, die durch besondere Vielfalt gekennzeichnet ist: 30 verschiedene Waldtypen, 34 von 65 in Österreich natürlich vorkommende Baumarten, 17 von 24 in Österreich lebende Fledermausarten, sechs von 10 in Österreich heimische Spechtarten und über 1.560 Schmetterlingsarten.

Der Nationalpark Kalkalpen kann als die größte zusammenhänge Schutzgebietsfläche mit einem signifikant hohen Anteil an Buchen-Altbeständen im Buchenverbreitungsgebiet der Alpen bezeichnet werden. Die wertvollsten dieser Buchenwälder - 5.250 Hektar - werden als potentielle Weltnaturerbe-Fläche vorgeschlagen. Diese Fläche erstreckt sich über eine Höhenamplitude von 396 bis hin zu 1.963 Metern Seehöhe.

Die Buchenwälder im Nationalpark Kalkalpen stocken von der submontanen/ tiefmontanen Stufe, in der sie als reine Buchenwälder ausgebildet sind, bis hin zur hochmontanen Stufe, in der sich zur Buche auch Tanne und Fichte gesellen. Die höchstgelegen Buchenbestände reichen bis etwa 1.450 Meter Seehöhe.

Insgesamt treten sechs verschiedene Buchenwaldgesellschaften auf: Zyklamen-Buchenwald, Schneerosen-Buchenwald (Helleboro nigri-Fagetum) - endmische Gesellschaft für die nordöstlichen Kalkalpen (nur in diesem begrenzten Gebiet vorkommend) - Waldmeister-Buchenwald, Karbonat-Alpendost-Fichten-Tannen-Buchenwald, Lehm-Fichten-Tannen-Buchenwald und Hochmontaner Karbonat-Buchenwald.

Die Vielfalt an geologischen Ausgangsgesteinen, die große Mannigfaltigkeit an Bodentypen sowie die unterschiedlichen Geländeformen und die große Höhenamplitude (submontan bis hochsubalpin) sind verantwortlich für die hohe Standortsvielfalt und die überdurchschnittlich hohe Zahl an verschiedenen Biotoptypen. Die vorkommenden Buchenwälder bilden aus diesem Grund auch das gesamte Spektrum an möglichen Buchenwaldtypen im Nordostalpenraum ab.

Durch die großen Höhenunterschiede im Gelände (Reliefenergie), die meteorologischen Verhältnisse und die hohe Natürlichkeit laufen im Gebiet eine Vielzahl an komplexen und hochdynamischen Prozessen ab. Hohe winterliche Niederschläge sind kennzeichnend, wobei die Auswirkungen des Schneereichtums vielerorts sichtbar werden: Lawinen reißen immer wieder Schneisen in die Waldlandschaft. Als Anpassung an die mechanische Belastung (Schneedruck) bildet die Buche und auch andere Baumarten in Lawinenbahnen und an steilen Standorten den typischen Säbelwuchs aus, der im Nationalpark vielerorts sichtbar ist. Eine Besonderheit des Nationalpark Kalkalpen ist das gemeinsame Auftreten von Buche und Lärche innerhalb eines Bestandes, der an der steilen Nordseite des Sengsengebirges mancherorts die Waldgrenze bildet. Dieses gemeinsame Auftreten kann als klares Alleinstellungsmerkmal für die Kalkalpen bezeichnet werden.

Die hohe Integrität (Unversehrtheit) der vorgeschlagenen Buchenwälder ist vor allem durch die Naturnähe der Wälder gegeben: 26 Prozent der Wälder sind als natürlich und 50 Prozent als naturnah zu bezeichnen, 438 Hektar konnten als Urwälder ausgewiesen werden. Dendrochronologische Untersuchungen an drei Urwaldflächen zeigen ein mittleres Baumalter von 250 bis 304 Jahren aus. Mit 525 Jahren konnte eine alte Buche als älteste im Alpenraum identifiziert werden. Die hohen Populationsdichten des Weißrückenspechtes (110 bis 130 Brutpaare) im Gebiet, sowie der Nachweis von 21 Urwald-Relikt-Käferarten unterstreichen die hohe Vielfalt in den Wäldern.

Der Nationalpark Kalkalpen leistet zum seriellen Weltnaturerbe wertvolle Beiträge: Erweiterung des bestehenden Weltnaturerbes um das alpische Buchenverbreitungsgebiet, größte Schutzgebietsfläche mit hohem Anteil an Buchen-Altbeständen im Buchenverbreitungsgebiet der Alpen, typisches Buchenwald-Spektrum, insbesondere im tiefmontanen/submontanen Bereich Vorkommen einer endemischen Buchenwaldgesellschaft (Helleboro nigri-Fagteum - Schneerosen Buchenwald), große Höhenamplitude wird abgedeckt, vielfältige dynamische Prozesse, Buchen-Lärchen-Wälder als Besonderheit der Kalkalpen.

Seit Ende 2002 ist die Gesamtfläche des Wildnisgebietes Dürrenstein durch Erklärung zum Naturschutzgebiet dauerhaft gesichert. Die Anerkennung als erstes Wildnisgebiet Österreichs der Kategorie I nach den Kriterien der Weltnaturschutzorganisation IUCN wurde im Jahr 2003 verliehen.

Das Wildnisgebiet dient dem Schutz einzigartiger Wälder, gefährdeter Lebewesen und Lebensgemeinschaften. Es wird jedoch kein bestimmter Zustand konserviert, sondern die natürlichen Prozesse dürfen und sollen weitestgehend ohne Einfluss des Menschen ablaufen.

Als Arbeitsgrundlage für die Schutzgebietsverwaltung, die im Jahr 2002 ihre Arbeit aufgenommen hat, wurde gemeinsam mit dem Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft (Universität für Bodenkultur) ein Managementplan für das Wildnisgebiet entwickelt. 2013 wurde ein neuer Managementplan erstellt und in Kraft gesetzt.

Während der ersten zehn Jahre - zwischen 2002 und 2012 - wurde das Gebiet um 100 Hektar erweitert, um wertvolle, angrenzende Gebiete unter Schutz zu stellen und den Grenzverlauf den naturräumlichen Gegebenheiten besser anzupassen. Bei der Zehn-Jahr-Feier im Herbst 2012 wurde eine weitere Vergrößerung angekündigt, die mit Beginn 2013 verwirklicht wurde. Mit der Unterschutzstellung weiterer 1.000 Hektar erreichte das Wildnisgebiet eine Gesamtfläche von 3.500 Hektar.

Auch der Habichtskauz, der in Österreich bereits ausgestorben war, wurde wieder erfolgreich angesiedelt. Insgesamt wurden in den letzten Jahren 190 Jungvögel im Biosphärenpark Wienerwald und eben im Wildnisgebiet Dürrenstein angesiedelt.

Nähere Informationen: Büro LR Pernkopf, DI Jürgen Maier, Telefon 02742/9005-12704, e-mail lr.pernkopf@noel.gv.at.

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