07.12.2010 | 10:59

Grabungskampagne 2010 am Domplatz in St. Pölten

Zwischenbilanz über archäologische und anthropologische Erkenntnisse

In St. Pölten wurde kürzlich der erste Teil der archäologischen Grabungen am Domplatz beendet und die Grabungsstelle für den Winter abgesichert. Gestern, 6. Dezember, wurde dazu im Rahmen eines Pressegespräches eine erste Zwischenbilanz zu den wissenschaftlichen Befunden vorgelegt, wobei ein Schwerpunkt in der Präsentation anthropologischer Erkenntnisse lag: So konnte die römische Epoche stellenweise zwar nur oberflächlich „angekratzt" werden, dabei bestätigte sich jedoch der Verlauf des in diesem Bereich vermuteten innerstädtischen Straßenzuges. Zahlreiche Funde wie Münzen, Gegenstände aus Bronze oder anderen Materialien sind dieser Zeit zuzuordnen. Eine der großen Überraschungen lag in der Entdeckung von Mauerstrukturen des spätmittelalterlichen Klosters des Heiligen Hippolytus mit reichhaltigen Fundstücken aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert. Als Prunkstück hervorzuheben ist ein Beleuchtungsgerät in Form einer weiblichen Figur aus gebranntem Ton, deren Physiognomie stark an heutige Teufels- oder Hexendarstellungen erinnert.

Der Ostabschluss der ehemaligen gotischen Pfarrkirche wurde ebenfalls noch in der heurigen Grabungsfläche erfasst, wobei sich zeigte, dass die Kirche in ihrer Ausdehnung viel größer war, als es die bildlichen Quellen vermuten ließen. Die Erforschung dieser gegen Ende des 17. Jahrhunderts abgerissenen Kirche wird im Zentrum der nächstjährigen Kampagne stehen.

Ein kleiner Ausschnitt des ehemaligen Stadtfriedhofes konnte ebenfalls ergraben und untersucht werden, wobei die ersten Ergebnisse der Untersuchungen durch Experten der Medizinischen Universität Wien eine Reihe interessanter Aspekte bergen: In den heuer freigelegten Gräbern konnten bei der anthropologischen Bearbeitung insgesamt etwas über 500 Individuen identifiziert werden. Dabei handelt es sich bei 60 Prozent um Erwachsene und bei 40 Prozent um Kinder und Jugendliche, 37 Prozent der untersuchten Erwachsenen waren Frauen und 62 Prozent Männer (ein Prozent war nicht mehr bestimmbar). Neben der für das Mittelalter typischen hohen Kindersterblichkeit lassen sich solcherart etwa auch die beiden Pestepidemien in der St. Pöltner Stadtgeschichte belegen.

Die Grabungskampagne hat aber nicht nur für die Wissenschaft höchst interessante Erkenntnisse zu Tage gefördert, sondern auch Grundlagen für die weitere Entwicklung des Domplatzprojekts geschaffen. Nächstes Jahr sollen die Grabungen voraussichtlich nach Westen ausgedehnt werden, in den Bereich der Reste der mittelalterlichen Pfarrkirche.

Nähere Informationen beim Magistrat St. Pölten unter 02742/333-2627, Dr. Ronald Risy, e-mail ronald.risy@st.poelten.gv.at und http://www.st-poelten.at/, bzw. bei der Medizinischen Universität Wien/Department für Gerichtsmedizin - Fachbereich Forensische Anthropologie unter 01/401 60-35640, Dr. Fabian Kanz, und www.meduniwien.ac.at/orgs/index.php?id=963.

 

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