Ein 8-Punkte-Programm unter dem Motto „Sichere Gesundheit im ländlichen Raum“ stellte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner gemeinsam mit LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf und Landesrat Martin Eichtinger vor. Die größten Handlungsfelder sehen sie bei der bevorstehenden Pensionierungswelle von niedergelassenen Ärzten, bei fehlenden Kassenärzten, dem Trend zum Wahlarzt sowie den veränderten Erwartungen von Jungmedizinern. Um dagegenzuwirken brauche es die gezielte Zusammenarbeit mit Ärztekammer, Österreichischer Gesundheitskasse und dem Gesundheitsministerium.
Ein engmaschiges Netz an niedergelassenen Kassenärzten in ganz Österreich ist einer der wesentlichsten Grundpfeiler des heimischen Gesundheitssystems. Gerade im ländlichen Raum ist diese Versorgung bereits auf die Probe gestellt und in akuter Gefahr. Aktuell sind 35 Kassenstellen für Allgemeinmediziner und 22 Facharztstellen in Niederösterreich unbesetzt. Mikl-Leitner dazu: „Unser Anspruch im Land muss sein, die beste Gesundheitsversorgung von der Geburt bis in das hohe Alter sicherzustellen. Das betrifft sowohl den stationären als auch den niedergelassenen Bereich. Im stationären Bereich haben wir uns mit der Gründung der Landesgesundheitsagentur bereits zukunftsfit aufgestellt, wo Kliniken und Pflege- und Betreuungszentren unter einem gemeinsamen Bereich geplant und gesteuert werden. Besonders im niedergelassenen Bereich und in den ländlichen Regionen gibt es aber große Herausforderungen, auf die es konkrete Antworten braucht.“
Folgende acht Punkte seien daher rasch zu lösen: Erstens gehe es darum, mehr Medizin-Studienplätze zur Verfügung zu stellen, so wie es auch im Regierungsprogramm des Bundes verankert ist. Der hohe Anteil international Studierender und die kommende Pensionierungswelle im niedergelassenen Bereich verlange eine rasche Erhöhung der Studienplätze.
Als zweiten Punkt fordert die Landeshauptfrau eine Aufwertung der „Allgemeinmedizin“. Die Ausbildungsinhalte im Rahmen des Studiums müssen viel stärker den Bereich „Allgemeinmedizin im ländlichen Raum“ beinhalten. Darüber hinaus soll die Allgemeinmedizin zukünftig dem Facharzt gleichgestellt werden. Bei der Zulassung zum Studium und den damit verbundenen Aufnahmetests müsse auch die soziale Kompetenz ein wichtigeres Kriterium werden. Der aktuelle Aufnahmetest selektiert beinhart „High Potentials“. Zahlreichen jungen Menschen, die in ihren Heimatregionen als Mediziner tätig werden wollen, wird dadurch ein Zukunftstraum verwehrt.
Als dritten Punkt führte die Landeshauptfrau die Landarztquote bei Studienplätzen an. Nach dem Vorbild von Bayern solle ein Teil der Studienplätze für Studierende reserviert sein, die sich in Folge verpflichten, mindestens fünf Jahre in einer Bedarfsregion tätig zu sein.
Ein weiterer Ansatzpunkt liege etwa bei Landarzt-Stipendien. Studierende, die sich dazu verpflichten, nach der Universitätsausbildung in einer Bedarfsregion tätig zu sein, sollen mit einem eigenen Landarzt-Stipendium unterstützt werden.
Fünftens gehe es um die Sicherstellung der Versorgung mit Kassenärzten. Die Österreichische Gesundheitskasse und Ärztekammer müssen ein Konzept vorlegen, um die Versorgung mit Kassenärzten im ländlichen Raum zu sichern. Sollten offene Stellen nicht binnen Jahresfrist besetzt werden, müssen zur Überbrückung Hilfssysteme eingerichtet werden. Zum Beispiel direkte Verrechnungsstellen mit Klinikbetreibern oder die Forcierung mobiler Ordinationen.
Als sechsten Punkt brauche es weiters eine Niederlassungs-Förderung. Nach internationalen Vorbildern solle es eine Unterstützung für die Niederlassung in einer Bedarfsregion in der Höhe von 60.000 Euro durch die ÖGK geben, die Gründung einer Filialpraxis mit 15.000 Euro gefördert werden.
Siebtens verlange Mikl-Leitner, dass unbesetzte Kassenstellen der ÖGK in Zukunft keine finanziellen Vorteile mehr bringen. Die ersparten Mittel durch unbesetzte Kassenstellen sollen direkt in einen Länder-Fonds zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum fließen.
Anreize für Gesundheitszentren sehe Mikl-Leitner als achten Punkt. Denn Kassenärzte bräuchten Anreize, um sich dieser modernen Versorgungsform anzuschließen. Die Trägerschaft für Gesundheitszentren solle dazu erleichtert werden.
„Eine zukunftsorientierte Gesundheitspolitik muss jetzt in der Gegenwart die richtigen Entscheidungen treffen, damit wir in Österreich auch morgen über eine erstklassige, sichere Gesundheitsversorgung - egal ob in der Stadt oder am Land – verfügen“, appelliert Mikl-Leitner.
LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf gab darüber hinaus ein klares Bekenntnis zu regionalen Klinikstandorten ab: „Niederösterreich bietet durch 27 Klinikstandorte Spitzenmedizin in allen Regionen.“ Man investiere aber nicht nur in Kliniken, sondern vor allem in die Ausbildung junger Menschen. Als Beispiele führte er die Etablierung des Kompetenzzentrums für Allgemein- und Familienmedizin an der Karl-Landsteiner-Universität und die Aktion „Niederösterreich studiert Medizin“ an. Bei den medizinischen Aufnahmetests werde bei der Organisation und mittels einer Förderung unter die Arme gegriffen. Außerdem werde die Betreuung von rund 130 Studierenden pro Studienjahr im Rahmen des „Klinisch-Praktischen-Jahres“ geleistet. „Für eine starke medizinische Versorgung in allen Regionen wollen wir junge Menschen motivieren, Medizin zu studieren und Verantwortung für die Gesundheit der Menschen zu übernehmen“, so Pernkopf, dem die letzte Aufstockung der Studienplätze zu gering ausgefallen ist: „Es gibt zu wenige Studienplätze. Neun von zehn jungen Menschen verwehrt man den Wunsch Medizin zu studieren, weil es nicht genügend Plätze gibt.“
Eine Lanze für die Allgemeinmediziner brach Landesrat Martin Eichtinger: „Sie sind das Rückgrat der wohnortnahen medizinischen Versorgung. Wir sind unseren Allgemeinmedizinern sehr dankbar, weil sie über das geforderte Maß hinaus einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten.“ Ein großes Augenmerk liege daher auf der Errichtung weiterer Gesundheitszentren. Die Erfahrungen hätten gezeigt, dass die Versorgungszentren sehr gut laufen würde und die Zufriedenheit von Ärzten und Patienten hoch sei. Doch die rechtlichen Rahmenbedingungen seien eng gestrickt. Im Bedarfsfall könne sich Eichtinger zudem vorstellen, dass die Trägerschaft von Gesundheitszentren in Zukunft breiter möglich sei und von den Kassenplanstellen gelöst werden könne. Die Landesgesundheitsagentur oder Gemeinden sollen in Zukunft in der Lage sein dürfen die Trägerschaft für Gesundheitszentren zu übernehmen. Dies bedarf einer praxisbezogenen Adaptierung des bestehenden Primärversorgungsgesetzes.
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(v. l.) Gruppenleiter Filip Deimel, Allgemeinmediziner Alireza Nouri, LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, Landesrat Martin Eichtinger und Direktor Markus Klamminger
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