Highlights des Jahres 2013

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“Guten Freunden zu einem fröhlichen Neujahr”

Lithographie von Albert Camesina: Seebenstein 1852
Albert Camesina: Burg Seebenstein in Niederösterreich, Lithographie, 1852, (vom Wachturm aus gesehen, nach Zeichnung von F. A. von Wetzelsberg, 1817), NÖLB, Topogr. Slg., Inv.-Nr. 6.911© NÖLB
Bildunterschrift

"Gar ein vest und lustig Schloss genannt Sebenstein, leit zwo Stunden von der Neuenstat zenachst Pütten in Österreich. Guten Freunden zu einem frölichen Neujahr in diese Visierung gebracht und ans Licht gestellt anno Jm Lijten durch Albertum Camesinam, behausten Inwoner zu Wienn, in der Pipinger Strass."


Für den Altertumsforscher Albert Camesina (1806-1881) erfolgte die Wahl seines Bildmotivs keineswegs zufällig: Burg Seebenstein fungierte einst als Sitz der "Wildensteiner Ritterschaft auf blauer Erde". Diese 1823 verbotene Vereinigung von Mittelalterfreunden hatte Seebenstein mehrere Jahrzehnte lang als Versammlungsort genutzt, um Traditionspflege zu betreiben und um Mitgliedern des Kaiserhauses zu huldigen was ein Verbot allerdings nicht verhindern konnte).

Folglich unterlag es genau so wenig einem Zufall, dass jener Zeit auch das von Camesina gewählte Vor-Bild entstammt: „Seine" Seebenstein-Ansicht erweist sich in Wahrheit als Adaptation einer Federzeichnung von Ferdinand Anton Johann von Wetzelsberg (1795-1846). Diese findet sich neben vielen anderen in einem um 1817 entstandenen Skizzenbuch - heute ein Prunkstück der Kunstsammlung unseres Landesmuseums.

Wetzelsberg, ein Badener Privatier, hat mehrere Ansichten dieser imposanten Burg angefertigt. Sie zeigen Seebenstein zumeist machtvoll aus der Ferne winkend oder sich vor aller Augen im Profil entfaltend. Mit dieser Bildschöpfung konnte der dilettierende Künstler sogar die Aufsicht zu ihrem Recht kommen lassen und somit eine an ältere Planansichten erinnernde Aufnahme liefern. 

Karlsruher Virtueller Katalog - Suchmaske
Karlsruher Virtueller Katalog - Suche © Karlsruher Institut für Technologie

Bereits seit 1999 kann der Katalog der Niederösterreichischen Landesbibliothek auch über den 
"Landesbibliothekenverbund Österreich / Südtirol" abgefragt werden. Neben der Niederösterreichischen Landesbibliothek sind hier die Steiermärkische Landesbibliothek, die Burgenländische Landesbibliothek und die Südtiroler Landesbibliothek vertreten, früher auch die Wienbibliothek im Rathaus. Betreiber dieses Verbundes ist die DABIS GmbH in Wien. Der Katalog der Niederösterreichischen Landesbibliothek wird in diesem Verbund als  praktisch sekundenaktuelle Kopie des Originals angeboten. 

Ein Meilenstein war die Einbindung des Verbundes der "Österreichischen Landesbibliotheken" in den "Karlsruher Virtuellen Katalog (KVK)" vor zehn Jahren, der hier gleichsam als Geburtstagskind vorgestellt werden soll. 

Oft wurde in Kollegenkreisen am KVK herumgemäkelt, was man alles noch besser machen könne: getan hat es keiner. Der KVK stellt eine einfache und zugleich komfortable Möglichkeit dar, katalogübergreifend in vielen - wenn nicht in fast allen - wichtigen Bibliothekskatalogen des deutschen Sprachraumes und darüber hinaus in den wichtigsten internationalen Bibliothekskatalogen zu suchen: mit einer Abfrage kann man feststellen, wo sich das  gewünschte Buch befindet. Man muss feststellen, dass sich dieses Angebot in einem ganzen Jahrzehnt bewährt und auch der Niederösterreichischen Landesbibliothek eine überregionale Bekanntheit und Aufmerksamkeit beschert hat. 

Als kleines Dankeschön wurde der KVK daher zum Objekt des Monats ausgewählt und sei Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, ans Herz gelegt, sofern sie ihn nicht ohnedies schon kennen und benutzen.

Als Beispiel wird die Sucheingabe "hatschi-bratschi's luftballon" als Titel in Verbindung mit "sunnegg" als Autor gezeigt. 

Karlsruher Virtueller Katalog - Trefferliste
Karlsruher Virtueller Katalog - Trefferliste© Karlsruher Institut für Technologie

Als Ergebnis erhält man eine Auflistung der Treffer in den verschiedenen Katalogen; unter anderen ist der Verbund der Österreichischen Landesbibliotheken mit der Niederösterreichischen Landesbibliothek vertreten. 

Karlsruher Virtueller Katalog - Trefferanzeige (Landesbibliotheken)
Karlsruher Virtueller Katalog - Trefferanzeige (Landesbibliotheken) © Karlsruher Institut für Technologie

Nach Auswahl dieses Treffers gelangt man in den entsprechenden Bibliothekskatalog, in unserem Falle also in 
den Katalog des Verbundes der Österreichischen Landesbibliotheken, und kann das Katalogisat des Buches aus 
der Niederösterreichischen Landesbibliothek einsehen: da gibt es die Originalausgabe von Hatschi-Bratschi's 
Luftballon von Franz Karl Ginzkey mit Ilustrationen von Erich Ritter Mor von Sunnegg und Morberg aus dem 
Jahre 1904. 
Und natürlich findet man über den KVK auch all das, was die Niederösterreichische Landesbibliothek nicht hat: 
neben der Präsentierung der Bestände der Niederösterreichischen Landesbibliothek stellt der KVK also auch eine 
sinnvolle Ergänzung des Angebotes der Niederösterreichischen Landesbibliothek dar. 
In diesem Sinne: auf die nächsten zehn Jahre! 

Im Anhang zu der von Matthäus Merian dem Älteren (1593-1650) herausgegebenen und von Martin Zeiller (1589-1661) verfassten "Topographia provinciarum Austriacarum Austriae, Stÿriae, Carinthiae, Carniolae, Tyrolis etc." (1649 ff., zugleich Band 10 der Topographia Germaniae), die von Caspar Merian (1627-1686) weitergeführt wurde, erschien die "Absonderliche Beschreibung der Herrschafften, Städte und Schlösser, Windhaag, Reichenau, Horn, Drosendorff und Petronell, sampt derselben Angehörungen (dem Anhang  Topographiae provinciarum Austriacarum beygehörig)".

1656 wurde sie unter dem Titel "Topographia Windhagiania" als selbständiges Buch veröffentlicht. Es besteht überwiegend aus Illustrationen der beiden dem Auftraggeber Johann Joachim Enzmilner (1600-1678), ab 1669 Reichsgraf von Windhaag, gehörenden Herrschaften Windhaag bei Perg (erworben 1636) und Reichenau am Freiwald (Gemeinde Bad Großpertholz, erworben 1653); die Kupferstiche stammen von Clemens Beutler (1623-1682). Es handelt sich um die erste Herrschaftstopographie Österreichs. 

1673 erschien die "Topographia Windhagiana aucta", also eine stark erweiterte Neuauflage, mit Texten von Hyacinth Marian Fidler, Bibliothekar der Bibliotheca Windhagiana und Vikar des Wiener Dominikanerkonvents, die insbesondere auch die neu erworbenen Herrschaften Groß-Poppen (erworben 1656, heute Truppenübungsplatz Allentsteig), Neunzen und Rosenburg (erworben 1658) und Rausmanns (erworben 1659) berücksichtigte. Johann Joachim Enzmilner, seit 1669 Reichsgraf von Windhaag, am 21. Februar 1600 in Babenhausen geboren und am 21. Mai 1678 in Windhaag bei Perg verstorben, war Jurist und Politiker, der es bis zum Reichsgrafen brachte. Mit dem Stolz eines adeligen Grundherren ließ er seine Besitztümer, zu denen unter anderem die bekannte Rosenburg zählte, in der ersten illustrierten Herrrschaftstopographie Österreichs, der "Topographia 
Windhagiana (aucta)" festhalten. Bedeutend war auch seine Bibliothek im Schloss Windhaag, die "Biblioheca Windhagiana". Teile seiner Besitzungen befinden sich heute auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes Allentsteig. Bis heute andauernde Bedeutung für Niederösterreich verschuf sich Enzmilner durch die Gründung der "Windhag Stipendienstiftung für Niederösterreich" im Jahre 1670.

Im ehemaligen Schloss Windhaag befand sich auch die bedeutende "Bibliotheca Windhagiana", die nach Enzmilners Tod zunächst zu den Dominikanern in Wien gelangte und schließlich auf Anordnung von Kaiser Joseph II. der Universitätsbibliothek Wien einverleibt wurde. Die Bibliothek war in drei Räumen untergebracht, der "Bibliotheca antiqua" (Alte Bibliothek, Bücher bis 1550), "Bibliotheca nova" (Neue Bibliothek, Bücher bis 1650) 
und "Bibliotheca moderna" (Moderne Bibliothek, Bücher ab 1650). Im Bild ist die "Bibliotheca antiqua" zu sehen. 

Hübsch anzusehen ist auch das Nebeneinander der Eingangsbereiche in die Alte Bibliothek, von der Alten in die Neue Bibliothek und von der Neuen in die Moderne Bibliothek. Zu den niederösterreichischen Besitzungen zählte auch die Rosenburg; im Bild ist der "Bemalte Saal sonsten die grosse Taffel stuben genandt sein Lenge ist 126 schuech und die bräite 30 schuech. 1. Thür von der steinern altana des mitlern Hoff, 2. Thür in die weÿzen Cammer, 3. Zwen Schöne Öffen welche gemalt und vergüldt, 4. Zwen an beiden Enden mit 6. staffel Erhochte Ercker Daraus man die ganze gegent lustig ersehen kann, 5. Die decke dises Saal mit villen Ouidischen figuren Und Kunstlichen gemälten geziert und aingefilt" zu sehen. Der Saal fungiert heute als Hoyossche Bibliothek auf der Rosenburg.  

Titelbilder skvɔʃ Spot
skvɔʃ Spot, Cover der Nummern 1 bis 4 des Jahres 1991 © Michael G. Mazelle/skvɔʃ Spot

Zu den Kuriositäten unter den Zeitschriftenbeständen der Niederösterreichischen Landesbibliothek zählt der Jahrgang 1991 der von Michael G. Mazelle herausgegebenen und in Geras erschienenen Zeitschrift "skvɔʃ Spot".  Dieses "Informationsmagazin zur Förderung der Squash-Interessen und des Squash-Sports" weist in seinem ersten Jahrgang einen Titel in internationaler Lautschrift auf. Dies war damals nicht nur schlecht reproduzierbar  - heute, im Zeitalter von Unicode, ist das ja kein Problem - zugleich hat der Herausgeber damit gewollt oder ungewollt die Grenzen der bibliothekarischen Katalogisierungsregelwerke aufgezeigt. Während künftig eine Abbildung in der Originalschrift des Dokumentes vorgesehen ist, war es bisher üblich, Titel in einer "fremden"  Schrift in Lateinschrift zu übertragen. Zu diesem Zweck gab es Tabellen für die Umschrift von griechischen, kyrillischen, arabischen, hebräischen, chinesischen, japanischen usw. Buchstaben. Man kann sich vorstellen, dass es Kopfzerbrechen gekostet hat, dies trotz Verständlichkeit des Titels in diesem Fall zu tun: niemand hat an die Möglichkeit gedacht, dass ein Titel in internationaler Lautschrift erscheint - mit einem Wort, es gab keine Tabelle für eine Umschrift dieses Titels. Ohne eine solche hat man aber ein Problem: soll man den Titel in englischer Originalschreibung "Squash-spot" wiedergeben, oder aber als "Skvosch-spot", "Skvosh-spot", "Skvoš-spot", "Skvåsch-spot", "Skvåsh-spot", "Skvåš-spot" etc.? Wir haben uns pragmatisch für die englische Originalschreibung entschieden und waren erleichtert, dass der Titel ab dem zweiten Jahrgang "squash spot" lautete und wir uns mit der Anmerkung "Titel ursprgl. in internat. Lautschrift" begnügen konnten. 

Auf der Suche nach dem alljährlichen Gag für den Monat April habe ich mich dieses Falles entsonnen und nun endlich auch die Unicode-Variante "skvɔʃ Spot" im Katalogdatensatz untergebracht: Was lange währt, wird endlich gut ...  

Zum Ableben von Landeshauptmann a. D. Siegfried Ludwig am 16. April 2013

Siegfried Ludwig, geboren am 14. Februar 1926 in Wostitz, von 1981 bis 1992 Landeshauptmann von Niederösterreich, ist am 16. April 2013 von uns gegangen. Die Niederösterreichische Landesbibliothek nimmt dies zum Anlass, seiner anhand ausgewählter Bestände der Landesbibliothek zu gedenken. 

Die Festschrift zum 75. Geburtstag von Siegfried Ludwig "Die Sache mit dem Gulasch - 15 Jahre Landeshauptstadt St. Pölten" präsentiert einen Eckpunkt seiner politischen Tätigkeit: die Schaffung einer niederösterreichischen Landeshauptstadt. Berühmt wurde sein Satz "Ein Land ohne Hauptstadt ist wie ein Gulasch ohne Saft." 

Eigentlich schon ein zeitgeschichtliches Dokument: der Aufruf von Siegfried Ludwig zur Volksbefragung über eine niederösterreichische Landeshauptstadt am 14. Februar 1986 ... 

Siegfried Ludwigs Buch "Schritte nach Europa - Niederösterreichs kleine Außenpolitik 1981-1992" liegt unter anderem in Form eines seiner langjährigen Weggefährtin Liese Prokop (1941-2006) persönlich gewidmeten Exemplares vor. 

Symbolträchtig ist auch das Cover dieses Buches: Am 17. Dezember 1989 zerschneiden Siegfried Ludwig, Alois Mock (1934-2017) und Jiří Dienstbier (1937-2011) bei Kleinhaugsdorf den "Eisernen Vorhang" zwischen Österreich und der Tschechoslowakei

Zu Siegfried Ludwigs Vermächtnis zählt auch sein Diskussionsentwurf "Leitlinien der niederösterreichischen Energiepolitik"aus dem Jahre 1984. 

Gemeinsam mit Charles Bohatsch brachte Siegfried Ludwig 1990 das Buch "Chancen für den Donauraum - Niederösterreich Drehscheibe Mitteleuropas" heraus. 

Das Resumee seiner politischen Tätigkeit: 1996 erschien Siegfried Luwigs Autobiographie "Im Rückblick - vier Jahrzehnte Arbeit für Niederösterreich". 

Last but not least: Walter Mayr und Robert Rintersbacher besorgten 2006 mit "Mensch und Politik mit Siegfried Ludwig (zum 80er)" nochmals eine Festschrift. 

So bleibt abschließend festzustellen, dass Siegfried Ludwig nicht nur in der niederösterreichischen Landespolitik, sondern auch in der Welt des Gedruckten Bleibendes geschaffen hat.  

die älteste noch bestehende Tageszeitung der Welt

Wiener Zeitung (Wienerisches Diarium), Buchrücken und Titelseite 3. Juni 1730
Wiener Zeitung (Wienerisches Diarium), Buchrücken und Titelseite 3. Juni 1730 © NÖLB

Zu den Höhepunkten der Zeitungs- und Zeitschriftenbestände der Niederösterreichischen Landesbibliothek zählt zweifellos die "Wiener Zeitung" (Titel ab 1780), die 1703 als "Wiennerisches Diarium" gegründet wurde und somit die älteste noch bestehende Tageszeitung der Welt bildet. Dies ist nicht zuletzt dem Umstand zu verdanken, dass sie mit dem enthaltenen "Amtsblatt zur Wiener Zeitung" als amtliches Verlautbarungsorgan der Republik anzusehen ist. Wenn auch mit einigen Lücken, reicht unser Bestand an Bänden der Wiener Zeitung immerhin bis in das Jahr 1730 zurück. Keine andere Zeitung deckt einen derart langen Zeitraum als Spiegel des Zeitgeschehens im Land Niederösterreich und seiner früheren Hauptstadt Wien ab. Gezeigt wird der reich verzierte Rücken des Einbandes unseres Exemplares des Jahrgangs 1730 sowie die Titelseite der Ausgabe vom 3. Juni 1730. 

Auch die Landesbibliothek selbst kommt natürlich in der Berichterstattung vor. So findet sich zum Beispiel in der Ausgabe vom 5. Jänner 1886 im Bericht über die 15. Sitzung des Niederösterreichischen Landtages die Notiz: "Auf Antrag des Schul-Ausschusses wird für das Landesarchiv und die Landesbibliothek ein Custos extra statum bestellt und als Hilfskraft dem Archivar an die Seite gestellt, und zwar mit dem fixen Jahresgehalte von 1200 fl., welche bei der Pensionierung anrechenbar sind. Der Landes-Ausschuß wird ermächtigt, mit Umgehung einer Concursausschreibung für diesen Posten eine Persönlichkeit, welche sich durch literarisch-historische Publicationen für Nieder-Oesterreich Verdienste erworben hat, zu berufen." Die hier nicht namentliche genannte Persönlichkeit war Dr. Anton Mayer (1838-1924), Sekretär des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich, der dieses Amt bis 1909 ausübte und seit 1895 offiziell als Leiter von Landesarchiv und Landesbibliothek 
fungierte.  

Um 1800 war in Wien ein Chinesentarock als Standard-Tarockform üblich, das auch in Frankreich unter der Bezeichnung „Tarot allemand à deux têtes" hergestellt wurde. Außer dem Pagat (Tarock I) und dem Sküs zeigen die Tarocke jeweils Genreszenen aus dem fernen China, gepaart mit Darstellungen von Meeresfabelwesen; die Farbkarten sind dem „Pariser Bild" zuzurechnen. Wie Klaus Reisinger gezeigt hat, entwickelten sich daraus die heute in Österreich üblichen Industrie-und-Glück-Tarocke, benannt nach der Darstellung eines Reichsadlers auf einem Felsen mit der Aufschrift „Industrie und Glück" auf Tarock II. Welche Motivation hinter dieser Devise steckt, ist unklar - möglicherweise handelte es sich um ein Firmenmotto des ersten Herstellers, das dann nachgeahmt wurde. Ursprünglich war dies die einzige wesentliche Änderung; im Laufe der Zeit wurden die Chinesen- und Meeresfabelwesen-Motive dann gegen heimische Genreszenen ausgetauscht, die zum Teil aus Nationalitätentarocken und Tarocken mit Berufsdarstellungen stammen - bereits hier ist auf Tarock IV ein ungarischer Hirte mit Pferd dargestellt. Keine wesentliche Änderung (außer einer  gewissen Europäisierung) erfuhren Pagat und Sküs, die dafür umso deutlicher die Herkunft belegen. Sylvia Mann  teilt die Industrie-und-Glück-Tarocke in die Typen A (1860-1936), B (1860-heute) und C (1890-heute) ein; Klaus  Reisinger gelangt durch Berücksichtigung der Vorläuferformen zu einer noch detaillierteren Einteilung - Vorläufer,  Typ I, Typ II, Typ III = A, Typ IV, Typ V = B, Typ V/VI, Typ VI = C, Typ VII.

Das gegenständliche, in einen Wechselrahmen eingelegte Tarock (Kupferstich, schablonenkoloriert) wurde jüngst von der NÖ Landesbibliothek ersteigert und zeigt auf dem Herz-Ass einen Wiener  Spielkartensteuerstempel JNHofman Wien 1815 (d.i. Johann Norbert Hofmann, Wien 1815); die  Kartenrückseiten zeigen das seinerzeit sehr verbreitete Motiv des „Wiener Halbmondes" (in gedoppelter Form).

Erhalten sind 54 von 54 (oder 78?) Blatt: die vier Könige, Damen, Reiter, Buben, die 22 Tarocke, Herz- und Karo-Ass, 2, 3, 4, Pik- und Treff-10, 9, 8, 7. Dies ist offenbar das älteste Tarock, das als Industrie-und-Glück-Tarock anzusprechen ist; die einschlägige Literatur (Klaus Reisinger) nennt hingegen ein sehr ähnliches Tarock desselben Herstellers aus dem Jahre 1819 als ältestes. Johann Norbert Hofmann ist nach Wolfgang Altfahrt in Wiener Adressbüchern 1812-1816 nachweisbar, dürfte aber schon 1808 den Betrieb seines Vaters Norbert Hoffmann übernommen haben; 1817 bis 1821 wird der Betrieb von seiner Witwe weitergeführt, 1822 gemeinsam von Anna Hofmann und Johann Georg Steiger, 1823-1856 von Johann Georg Steiger.

Diese Karten weichen von dem von Klaus Reisinger beschriebenen Tarock aus dem Jahre 1819 ab: Herz-Reiter und Herz-Bube sind altertümlicher und gleichen früheren Chinesentarocken, wohingegen die Herz-Dame (wie auch die anderen Damen) einen etwas jüngeren Typ repräsentiert und der wie der Pik-König in Seitenansicht dargestellte Herz-König mit offener Krone (Zackenkrone) zwar besser mit den anderen Königen harmoniert, aber eben nicht in Vorderansicht mit geschlossener Krone (Bügelkrone) dargestellt ist. Im „Tarot allemand à deux têtes" war übrigens der Treff-König (neben dem Pik-König) in Seitenansicht und mit offener Krone dargestellt, ebenso auf Chinesentarocken von Mathias Simon und anderen. Dieselbe Darstellung des Herz-Königs findet sich auf einem Chinesentarock (vermischt mit allegorisch-mythologischen Motiven) von Joseph Estel 1819/1820.

Schon im Chinesentarock war der orientalische Pik-König mit Turban und halbmondgekröntem Szepter heimisch; der dazu passende turbangeschmückte Pik-Reiter ist in Österreich bereits auf Chinesentarocken von Norbert Hoffmann zum Treff-Reiter „mutiert"; beide belegen somit die Herkunft der Industrie-und-Glück-Tarocke aus dem Chinesentarock. Hier sind noch Herz-Dame und Pik-Dame mit Fächer, Karo-Dame und Treff-Dame hingegen mit Blumen ausgestattet, später tauschen die Pik-Dame und die Treff-Dame ihre Attribute.

Abschließend dürfen wir unsere Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass es gelungen ist, dieses für die österreichische Tarockgeschichte bedeutende Spiel für eine öffentlich zugängliche Sammlung zu erwerben und damit der Allgemeinheit und der Nachwelt erhalten zu können. 

Literatur: 

Alscher, Hans-Joachim [Hrsg.]: "Tarock" - mein einziges Vergnügen ... : Geschichte eines europäischen Kartenspiels ; [Renaissanceschloss Schallaburg, 29. Mai - 2. November 2003]. - St. Pölten, 2003

Reisinger, Klaus: Der österreichische Spielkarten-Steuerstempel und andere Mitteilungen. - Wien, 1990

Darin (S. 147 ff.): Altfahrt, Wolfgang: Wiener Kartenmacher des 19. Jhs.

Reisinger, Klaus: Tarocke : Kulturgeschichte auf Kartenbildern. - 6 Bde. - Wien, 1996-1999 

Tarock-Galerie

Johann Baptist Vanhal (1739-1813), Porträt 

Portrait von Johann Baptist Vanhal
Carl Hermann Pfeiffer nach Johann Adamek: Johann Baptist Vanhal. Punktierstich, undat. © NÖLB

Am 20. August 1813 starb in Wien ein Komponist, der neben den großen Jahresregenten aus dem Reich der Tonsetzerkunst beinahe unterzugehen droht: Johann Baptist Vanhal. Der am 12. Mai 1739 im ostböhmischen Nové Nechanice (Neu Nechanitz) geborene Komponist, Violinist und Lehrer zählte jedoch zu den seinerzeit erfolgreichen Komponisten, die nicht in Vergessenheit geraten sollten.

Informierte Kreise kennen ihn als Quartettpartner von Haydn, Mozart und Karl Ditters von Dittersdorf (1739-99). Diese schon fast anekdotenhafte Marginalie der Musikgeschichte sollte nicht den Blick auf Vanhals Produktivität und Vielseitigkeit verstellen: Diese erlaubte ihm, ein umfangreiches Werk zu schaffen, welches Messen und Opern, Symphonien und Konzerte, Kammer- und Tanzmusik umfasste. 

Vor allem kammermusikalische Werke, Konzerte für verschiedene Solo-Instrumente und Symphonien wurden auf  Tonträgern eingespielt. Schon angesichts dieser kleinen Ausschnitte aus einem eindrucksvollen Gesamtwerk wird  verständlich, dass Vanhal zu den führenden Komponisten seiner Zeit zählte, welcher sich seinen Platz in den  Herzen aller Musikliebenden neben den das Jahr 2013 regierenden Meistern längst verdient hat.

Das Porträt zeigt Vanhal als reiferen, sympathisch wirkenden Herren - und tatsächlich haben Zeitgenossen dem  Komponisten neben tiefer Frömmigkeit und großer Bescheidenheit ein sympathisches Wesen attestiert. Als  Schöpfer der Porträtvorlage fungierte Johann Adamek (1774-1840), ein in Wien ausgebildeter Miniaturen-,  Genre- und Historienmaler. 


Carl Hermann Pfeiffer nach Johann Adamek: Johann Baptist Vanhal. Punktierstich, undat. 
NÖLB, Porträtsammlung, P 2.077 (Informationen zu dem in der ÖNB, Bildarchiv und Grafiksammlung, befindlichen Pendant unseres Exemplars verdanken wir Mag. Ulrike Polnitzky.) 

Karte der Herrschaft Rabensburg
Karte der Herrschaft Rabensburg: Haupt-Mappa der hochfürstlich liechtensteinischen Herrschaft Rabensburg : in Folge hoher Circular Verordnung von 28. Februar 1826 Nr. 1576 / bearb. von Ernst Kügler, Mapp. Ingenieur. Gez. von Johann Thomas, Mapp. Adju. - Maßstab von 1000 Wien. Klaft. [= ca. 13 cm]. - [s. l.] : [s. n.] , 1826. - 1 Kt. : mehrfarb. ; Blattgr. 132 x 168, Rahmengr. 128 x 164, Bildgr. 119 x 154, gefaltet 26 x 42 cm. - Aquarellierte und lavierte Federzeichn., geschn. in 20 T., auf Leinwand aufgezogen, gefaltet.© NÖLB


Der Niederösterreichischen Landesbibliothek gelang es, im Juni 2013 auf einer Auktion des Wiener Dorotheums eine sehr seltene handgezeichnete Karte der Herrschaft Rabensburg zum Rufpreis von 1.500 € zu erwerben.

Diese im nordöstlichen Dreiländereck Niederösterreich-Mähren-Slowakei befindliche, den Liechtensteinern gehörende Herrschaft Rabensburg umfasste (die Aufzählung im Uhrzeigersinn mit 12 Uhr beginnend) die Ortschaften Bernhardsthal, Rabensburg, Hohenau, Ringelsdorf, Niederabsdorf, Palterndorf, Dobermannsdorf, Neusiedl an der Zaya, Hausbrunn und Alt-Lichtenwarth. Die vier nördlichen Gemeinden Bernhardsthal, Rabensburg, Alt-Liechtenwarth und Hausbrunn gehören heute zum politischen Bezirk Mistelbach, die übrigen südlichen Gemeinden zum Bezirk Gänserndorf. Kleinere, nahezu unbewohnte Teile der March-Thaya-Auen, damals zum Gemeindegebiet von Rabensburg und Hohenau gehörend, mussten 1919 durch den Friedensvertrag von St. Germain an die Tschechoslowakei abgetreten werden und liegen heute auf tschechischem Staatsgebiet. Sie sind auf der Karte als großer zusammenhängender grüner Auwald eingezeichnet.

Die Karte selbst ist mit einer reichen klassizistischen Titelkartusche links oben, einer großen Windrose rechts oben, ausführlichen kalligraphierten Legenden, einer Maßstabsleiste zu 1000 Wiener Klaftern mit figuraler Darstellung, sowie umlaufenden Bordüren samt geometrischer Zierstücke ausgestattet. Das Wiener Klafter entsprach 189,65 cm und war bis zur Einführung des metrischen Systems 1870/73 das amtliche Regelmaß in Niederösterreich. Es hatte seinen Ursprung als Naturmaß von auseinanderklaffenden Händen eines großgewachsenen Mannes, dessen Körpergröße auch dem Klafter der Hände, ausgestreckt von Mittelfinger zu Mittelfinger messend, entsprach. Die dargestellte Herrschaft befand sich seit 1385 im Besitz der Fürsten von Liechtenstein, die über ausgeprägte Stammsitze im benachbarten Südmähren (Nikolsburg) wie auch im damals noch, bis 1919 zu Niederösterreich gehörenden Feldsberg, besaßen.

Einer Herrschaftskarte entsprechend, sind die genauen Besitzverhältnisse - streng in obrigkeitlich-weltliche, geistliche, und untertänige Gründe getrennt - verzeichnet. Auch die Gemeindegrenzen sind deutlich in grauschwarzer Farbe markiert. Neben den eigenen herrschaftlich-liechtensteinischen Besitzungen ist naturgemäß auch der fremdherrschaftliche Besitz innerhalb ihres Herrschaftsgebietes ersichtlich. Es handelt sich dabei meist um Wiesen und Weiden. Als wichtige Zeitquelle ist die Verbreitung der Weingärten kartiert und mit Besitzerkennzeichen versehen. Der Maßstab entspricht bereits einer Karte, sodass im Gegensatz zu einem Plan bereits systematisiert werden muss und nicht mehr jedes einzelne Haus in den Orten verzeichnet werden kann. Trotzdem sind alle frei stehenden Häuser und Höfe sowie Mühlen und Baumgruppen, Feldzeichen, trigonometrischen Punkte und sogar Erdställe verzeichnet. 

Geschichte aus dem Boden - Archäologie im Waldviertel / hrsg. von Franz Pieler
Cover des Buches
Cover des Buches © WHB


Diesmal wird eine Neuerscheinung vorgestellt: In der Schriftenreihe des Waldviertler Heimatbundes erschien kürzlich als Band 54 das von Franz Pieler herausgegebene Buch "Geschichte aus dem Boden - Archäologie im Waldviertel". Das Buch enthält Beiträge von Wolfgang Breibert, Thomas Einwögerer, Daniela Kern, Thomas Kühtreiber, Michaela Lochner, Martin Obenaus, Franz Pieler, Anna Preinfalk, Fritz Preinfalk, David Ruß, Sandra Sam, Erik Szameit und Johannes M. Tuzar. Der thematische Bogen spannt sich vom Naturraum Waldviertel, den Arbeitsmethoden, der Forschungsgeschichte und Museumslandschaft, Altsteinzeit, Mittelsteinzeit, Jungsteinzeit, Bronzezeit, Eisenzeit, Römischer Kaiserzeit, Völkerwanderung, Frühmittelalter zu Hochmittelalter bis früher Neuzeit. Abgerundet wird das Werk durch ein Glossar und Ortsregister.

Mag. Dr. Franz Pieler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Krahuletz-Museums in Eggenburg und ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet der Vor- und Frühgeschichte Österreichs.

Der 1951 gegründete Waldviertler Heimatbund, der neben der Schriftenreihe auch die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift "Das Waldviertel" herausgibt, hat sich der Erforschung der Geschichte des Waldviertels und der Wachau verschrieben. Der Waldviertler Heimatbund kann aufgrund dieser Aktivitäten als bedeutendster landeskundlicher Verein Niederösterreichs neben dem "Verein für Landeskunde von Niederösterreich" mit seinen Publikationen "Unsere Heimat", "Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich" und "Forschungen zur Landeskunde von Niederösterreich" gelten.

Johann Krahuletz (1848-1928), von Beruf Büchsenmacher, sammelte Urgeschichtliches, Erdgeschichtliches und Volkskundliches. Die 1900 gegründete Krahuletz-Gesellschaft eröffnete 1902 das Krahuletz-Museum

WWF zeigt: Streiflichter der oberen Donau (Passau-Wien) 

WWF zeigt: Land und Leute an der unteren Donau

Die Niederösterreichische Landesbibliothek hat vor einigen Monaten einen 16-mm-Film (schwarzweiß, ohne Ton) der WWF (Wiener Werbefilm, Inhaber Ing. Wilhelm Hippsich) erworben, der nun digitalisiert vorliegt. Vom Verkäufer ist der Film auf 1922 datiert worden. Genau genommen handelt es sich um zwei Filme: WWF zeigt: Streiflichter der oberen Donau (Passau-Wien) [Dauer: 7:15 min] und WWF zeigt: Land und Leute an der unteren Donau [Dauer: 3:45 min]. Da Orte wie Melk oder Wien fehlen, sind die Filme möglicherweise nicht mehr vollständig; dennoch stellen sie ein hochinteressantes Zeitdokument dar.

Im einzelnen sind zu sehen: WWF zeigt: Streiflichter der oberen Donau (Passau-Wien): Passau, an der Mündung des Inn und der Ilz in die Donau. Feste Krämpelstein. Ankunft in Linz. Schloß Persenbeug. Schloß Schönbühel. Spitz an der Donau. St. Michael. Markt Weißenkirchen mit der alten befestigten Pfarrkirche. Dürnstein, die Perle der Wachau. Krems. Das Römertor bei Petronell, auch "Heidentor" genannt. Die Ruinen von Carnuntum. Bad Deutsch Altenburg Römisches Museum. Kurhausbetrieb. Ende. - WWF zeigt: Land und Leute an der unteren Donau: Calafat. Giurgiu. Olteniţa (Oltenitza). Am gegenüberliegenden Ufer liegt Turtucaia, dessen Bevölkerung größtenteils aus Tartaren und Türken besteht. Ende. 

Die hier gezeigten Screenshots sollen einen Eindruck der beiden Filme vermitteln: Schloss Schönbühel, St. Michael mit Faltbooten auf der Donau, Schiffsbesatzung am Steuer bei Dürnstein, Heidentor, Amphitheater in Carnuntum, Kurhaus Bad Deutsch Altenburg, Moschee und Mann mit Turban in Turtucaia (Tutrakan).

Was hat das Vanillekipferl mit der NÖ Landesbibliothek zu tun?

ein Beitrag von Peter Strecha 

Haben Sie schon einmal ein älteres Buch oder auch eine alte Kartonschachtel aus Holzpappe geöffnet und dabei einen aromatischen, angenehmen Geruch wahrgenommen? Ein Hauptbestandteil dieses auffallenden Geruchsspektrums ist die chemische Substanz Vanillin, welche in natürlicher Form in den Samenkapseln („Schoten") der Vanillepflanze vanilla fragrans, einer Orchideenart, vorkommt, und auch beim Abbau von Holz oder holzhaltigem Papier und Karton entsteht. Auch das Abbrennen von gutem Kaminholz verdankt den  entstehenden wohligen Geruch unter anderem diesem Naturstoff.

Der Aromastoff Vanillin wird in der Nahrungs- und Kosmetiktechnologie in vielfältiger Weise eingesetzt, so zum Beispiel in Speiseeis, Schokolade, Wein und Spirituosen oder auch bei der Parfumherstellung, sowie auch in der pharmazeutischen Industrie [1] [2], und in praktisch allen industriell hergestellten Tabakerzeugnissen wird Vanillin als Aromaträger eingesetzt [3]. Und da die Advent- und Weihnachtszeit auch die Zeit von traditionellen Backwaren ist, greifen wir als Objekt des Monats eben jene Sorte heraus, die ohne die betrachtete Substanz undenkbar wäre: das Vanillekipferl!

Etwa in der Mitte des 19. Jahrhunderts konnte der Bedarf an Fasern zur Papierherstellung nicht mehr alleine aus den bis dahin verwendeten (Baumwoll-)Hadern gedeckt werden. Als Ersatz wurde daher nach einer Erfindung des sächsischen Webers Friedrich Gottlob Keller vermehrt Holzschliff verwendet [4], dies aber mit dem schwerwiegenden Nachteil, dass das erzeugte Papier nicht alterungsbeständig war und letztlich unter Säureeinwirkung zerfiel. Ursache dafür ist der Stoff Lignin, der in unbehandeltem Holz zu rund 20 Prozent vorliegt - und Lignin ist eben das Ausgangsprodukt für das beim Abbau entstehende Vanillin und eine Reihe  weiterer Substanzen.

Erst ab der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde zur Produktion hochwertiger Druckwerke nach und nach ausschließlich auf Zellulosepapier übergegangen. Wir können somit abschätzen, dass von den 500.000 Bänden im Besitz der Landesbibliothek etwa 150.000 aus holz- (exakter: lignin-)haltigem Papier bestehen. Würde der in diesen enthaltene Lignin-Anteil (angenommen 15 Prozent Lignin in Buchblock und Einband) mit einer Produktausbeute von 4,5 Prozent zu Vanillin verarbeitet, erhielte man rund 500 kg Vanillin. Damit könnte man die unglaubliche Zahl von 25 Millionen Vanillekipferln zubereiten! [5] 

Vanillekipferl vor einer Ligninstruktur nach Karl Freudenberg
Vanillekipferl vor einer Ligninstruktur nach Karl Freudenberg© Wilhelm Sandermann: Kulturgeschichte des Papiers [6]


Nun noch ein wenig zur zur technischen Bedeutung des Lignins: Aus dem über die Papierherstellung Gesagten lässt sich ableiten, dass das Rohmaterial Holz zu etwa einem Fünftel aus Material besteht, welches zur Erlangung einer einwandfreien Papierqualität entfernt werden muss und daher als Abfallprodukt gilt. Die Verbrennung ist zwar technisch möglich, ist aber ökonomisch nicht sehr sinnvoll. Aus diesem Grund hat sich der Wiener Chemiker Prof. Dr. Karl Kratzl (1915 - 2003, langjähriger Leiter der Chemischen Abteilung des Österreichischen Holzforschungsinstitutes im Wiener Arsenal) einen Gutteil seines Forscherlebens mit alternativen Verwertungsmöglichkeiten für Lignin beschäftigt - und besonders nach seiner Emeritierung als Hochschullehrer - nicht minder produktiv auch als Maler und Karikaturist, wozu sich auch in der NÖ Landesbibliothek ein Beispiel findet [7]. Um die Sache abzurunden bleibt noch zu erwähnen, dass auch einem Adventpunsch ohne das Aroma des Vanillins Entscheidendes fehlen würde.

In diesem Sinne also: ein frohes Weihnachtsfest und ein gesundes und glückliches Jahr 2014

[1] Römpp Lexikon Chemie. 10. Aufl. Stuttgart: Thieme 1999. S. 4808 - NÖ Landesbibliothek Sign. 46.366 B

[2] Römpp Lexikon Lebensmittelchemie. 9. Aufl. Stuttgart: Thieme 1995. S. 887-888 - NÖ Landesbibliothek 
Sign. 62.394 B

[3] Scientific Committee on Emerging and Newly Identified Health Risks: Addictiveness and Attractiveness of Tobacco Additives. ec.europa.eu 2010: ec.europa.eu/health/scientific_committees/emerging/docs/scenihr_o_031.pdf

[4] Otto Wächter, Die Behandlung holzhaltiger Papiere, in: Internationaler Restauratorentag der
Arbeitsgemeinschaft der Archiv-, Bibliotheks- und Graphikrestauratoren. Freiburg i. Br., Basel, Zürich 1967. www.iada-home.org/ta67_029.pdf

[5] Anton Wacek, Karl Kratzl: Chemie und Holz, Österr. Produktivitäts-Zentrum. Wien: Ueberreuter 1951. S. 45 - NÖ Landesbibliothek Sign. 18.976 B

[6] cit. nach Wilhelm Sandermann: Kulturgeschichte des Papiers. Berlin, Heildelberg, New York: Springer 1988. S. 138. - NÖ Landesbibliothek Sign. 47.947 B. - Gebäckphotographie nach www.ichkoche.at

[7] Karl Kratzl: Die Kritik der unreinen Vernunft : eine kantige Angelegenheit in etwa 200 Karikaturen und 30 Anekdoten. Eigenverlag Klosterneuburg 1995 - NÖ Landesbibliothek Sign. 64.734 B  

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