22.11.2017 | 12:33

Fachtagung anlässlich 20 Jahre Gewaltschutzgesetze in Österreich

LR Schwarz: Zahlreiche Einrichtungen und Maßnahmen geschaffen, um Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt sind, Schutz und Hilfe zu bieten

Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen: Martina Stöffelbauer vom Büro für Kriminalprävention und Opferhilfe im Bundeskriminalamt, Frauen-Landesrätin Barbara Schwarz und Elisabeth Cinatl, Sprecherin der Frauenberatungsstellen Niederösterreich (v.l.n.r.)
Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen: Martina Stöffelbauer vom Büro für Kriminalprävention und Opferhilfe im Bundeskriminalamt, Frauen-Landesrätin Barbara Schwarz und Elisabeth Cinatl, Sprecherin der Frauenberatungsstellen Niederösterreich (v.l.n.r.)© NLK PfeifferDiese Datei steht nicht mehr zum Download zur Verfügung. Bild anfordern

Anlässlich 20 Jahre Gewaltschutzgesetze in Österreich findet heute, Mittwoch im Landhaus in St. Pölten eine Fachtagung der NÖ Frauenberatungsstellen in Kooperation mit dem Land Niederösterreich zum Thema „Häusliche und sexualisierte Gewalt – Opferschutz und Gewaltprävention“ statt. Im Vorfeld informierten Frauen-Landesrätin Barbara Schwarz, Martina Stöffelbauer vom Büro für Kriminalprävention und Opferhilfe im Bundeskriminalamt und Elisabeth Cinatl, die Sprecherin der Frauenberatungsstellen Niederösterreich, zu diesem Thema.

„Österreich ist seit 2014 Mitglied der Istanbul-Konvention des Europarates“, betonte Landesrätin Schwarz, dass diese Konvention ein „wichtiger Schritt“ für die Frauenrechte sei, da diese „als erstes verbindliches internationales Rechtsdokument“ Gewalt an Frauen ausdrücklich als Menschenrechtsverletzung anerkenne. Das Europarat-Expertinnenkomitee „GREVIO“ überprüfe aktuell die Umsetzung der Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in Österreich, sagte Schwarz, dass der Prüfbericht Österreich ein gutes Zeugnis ausstelle und festhalte, dass Österreich mit seinen Gewaltschutzmaßnahmen eine Vorreiterrolle eingenommen habe.

„Trotzdem dürfen wir nicht die Augen verschließen, denn noch immer ist jede fünfte Frau mindestens einmal in ihrem Leben von körperlicher, psychischer oder sexueller Gewalt betroffen“, führte Schwarz weiter aus, dass jede dritte Frau in der EU ab dem 15. Lebensjahr mindestens einmal von sexueller Belästigung besonders im Bereich der Arbeitswelt betroffen gewesen sei. Zu den Strategien der Täter gehörten, erniedrigen und abwerten, das Isolieren der Partnerin von Familie und Freunden, außerdem werde oft die Wahrnehmung des Opfers verzerrt und es komme zu Drohungen.

Sexuelle Gewalt und Belästigungen beschäftigten seit Wochen die Öffentlichkeit, hielt Schwarz fest, dass Kampagnen wie #MeToo und davor #Aufschrei das Thema anlässlich zahlreicher Fälle wieder stark in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt hätten. „Seit 20 Jahren beschäftigen wir uns mit Gewaltschutz“, betonte Schwarz, dass das Gewaltschutzgesetz in Österreich 1997 in Kraft getreten sei und international beispielgebend sei. Zahlreiche Einrichtungen und Maßnahmen seien geschaffen worden, um Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt seien, entsprechend Schutz und Hilfe bieten zu können. Mit der polizeilichen Wegweisung und dem Betretungsverbot sei eine schnell zu setzende Maßnahme geschaffen worden, die mit August 2013 für von häuslicher Gewalt betroffene Kinder und damit auch auf Schulen und institutionelle Kinderbetreuungseinrichtungen ausgeweitet worden sei. Durch die gerichtliche einstweilige Verfügung könnten Zivilgerichte auf Antrag eines Opfers einem gewalttätigen Mitbewohner auftragen, die Wohnung längerfristig zu verlassen.

„2016 hat die Polizei in Niederösterreich 1.402 Betretungsverbote angeordnet und 142 erweiterte Schutzbereiche für gefährdete Minderjährige bei ihren Schulen, Kindergärten und Horten ausgesprochen“, so die Landesrätin. Das Gewaltschutzzentrum Niederösterreich habe 2016 2.406 Opfer von häuslicher Gewalt und Stalking unterstützt – 80 Prozent davon entfielen auf weibliche Klienten, 93 Prozent der gefährdenden Personen seien männlich gewesen. 814 Anzeigen habe es wegen Körperverletzung und 531 wegen gefährlicher Drohung und Nötigung gegeben. Weil die Umsetzung der Gewaltschutzgesetze immer noch an die Akzeptanz der gesetzlichen Regelungen bei einzelnen Polizistinnen und Polizisten gekoppelt sei, seien Polizeischulungen nach wie vor wichtig.

Erste Anlaufstelle für Frauen, die von Gewalt betroffen seien, sei oftmals das Gesundheitswesen. Daher sei es wichtig, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dahingehend zu sensibilisieren. Seit 2002 finanziere das Land Niederösterreich das Modellprojekt „Gewalt gegen Frauen – Die Bedeutung des Gesundheitswesens“. „Eine Erfolgsgeschichte“, wie die Landesrätin festhält: „Nur durch die gute Zusammenarbeit des Landes, der Landeskliniken-Holding, des NÖGUS und der Frauenberatungsstelle ‚Kassandra‘ ist diese zustande gekommen. Das Nichterkennen von häuslicher Gewalt hat Auswirkungen auf die Gesundheit bzw. Erkrankungen der Betroffenen und auf Kinder. Daher wurden seit dem Jahr 2000 rund 6.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des niederösterreichischen Gesundheitswesens informiert, sensibilisiert und geschult.“

Für die Zukunft seien „eine klare Positionierung gegen Gewalt“ und „eine öffentliche Tabuisierung des Themas durch entsprechende Kampagnen“ wichtig. „Der 25. November ist der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Dieser bildet den Auftakt zur jährlichen Kampagne ‚16 Tage gegen Gewalt‘ die am 10. Dezember mit dem Internationalen Tag der Menschenrechte endet“, informierte Schwarz, dass heute bereits die offizielle Fahne gegen Gewalt an Frauen im Landhaus gehisst worden sei.

In Niederösterreich gebe es ein dichtes Netz an Initiativen und Institutionen für Frauen, die von Gewalt betroffen seien: zehn Frauenberatungsstellen mit sieben Außenstellen, das NÖ Frauentelefon, sechs Frauenhäuser und vier Gewaltschutzzentren, so Schwarz. Gewalt beginne „viel früher als wir sie oft wahrnehmen“, sagte die Landesrätin, dass diese meistens mit Sprache und im gegenseitigen Umfang beginne und man daher auch viel früher damit beginnen müsse, zu sensibilisieren.

Auch Martina Stöffelbauer vom Büro für Kriminalprävention und Opferhilfe im Bundeskriminalamt betonte die „österreichische Vorreiterrolle“ im Gewaltschutz und die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Organisationen, den NGOs, vieler Ministerien und von Opfer- und Gewaltschutzorganisationen. Mit dem Gewaltschutzgesetz habe man „die Möglichkeit, Maßnahmen zu ergreifen bevor es noch zu einer Gewalttat oder Bedrohung gekommen ist“. Besonders hob Stöffelbauer das „Medpol-Projekt“ hervor, das sich aus den Arbeitsbereichen Gesundheit und Polizei zusammensetze und wo es darum gehe bei atypischen Verletzungsmustern auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen. Aktuell in Ausrollung sei das Projekt „Sicherheit für Frauen in der Öffentlichkeit“; in Kursen, Schulungen oder Exkursionen soll Frauen gezeigt werden, dass sie handlungsfähig sind und welche Schutzmöglichkeiten es durch persönliches Verhalten gibt.

Die Sprecherin der Frauenberatungsstelle Niederösterreich, Elisabeth Cinatl, betonte: „Gewalt wird auch auf struktureller Ebene verankert. Das schafft Abhängigkeiten und diese sind Nährboden für Gewalt“. Es sei wichtig, die unterschiedlichen Formen von Gewalt und die unterschiedlichen Kontexte von Gewalt zu unterscheiden. In jedem Bereich, ob im häuslichen Umfeld, im Berufsleben oder im virtuellen Raum gebe es unterschiedliche Dynamiken. Täglich kommen in Niederösterreich zehn Frauen in die NÖ Frauenberatungsstellen und suchen Hilfe zum Thema Gewalt, insgesamt ist rund die Hälfte davon psychischer Gewalt ausgesetzt. Knapp zehn Prozent sind Opfer sexualisierter Gewalt mit Traumatisierung. „Das, was die Frauen sagen, nehmen wir ernst“, führte Cinatl aus, dass es darum gehe, dass die Frauen „das Gespür wiedererlangen, da ist etwas nicht in Ordnung“. „Die Verantwortung für Gewalt liegt ganz klar bei der Person, die sie ausübt“, so Cinatl. In den Frauenberatungsstellen würden Frauen auf ihrem Weg begleitet werden.

Nähere Informationen: Büro LR Schwarz, Mag. (FH) Dieter Kraus, Telefon 02742/9005-12655, E-Mail dieter.kraus@noel.gv.at.

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