Von vielen der 372 ehemaligen NS-Lagerorten in Niederösterreich, gibt es heute kaum mehr bauliche Überreste, vielfach ist die Geschichte in Vergessenheit geraten. Am Beispiel des Granitsteinbruchs in Roggendorf/Pulkau werden nun inter- und transdisziplinäre Zugänge in einer Verbindung von Kunst, Wissenschaft und digitalen Technologien in einem partizipativen Prozess mit der Bevölkerung entwickelt, die als Blaupause für ähnliche Projekte dienen sollen.
In den Jahren 2020/21 identifizierte das Bundesdenkmalamt in Österreich insgesamt 2.115 ehemalige NS-Lagerorte. Heute sind viele dieser ehemaligen Lager nicht oder kaum mehr als solche erkennbar, materielle Spuren wurden vielfach abgetragen, überbaut, umformt. Diese Standorte sind heute oft Brachland oder werden von Wohnsiedlungen, Parkplätze sowie Freizeitanlagen verdeckt. Dort, wo noch Gebäude bestehen, wurden diese mit anderen Funktionen belegt. Das Wissen um die Geschichte dieser belasteten Orte gelangte nur selten in das regionale und lokale Gedächtnis, die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen fehlen vielerorts.
Das Projekt „Spuren lesbar machen im NS-Zwangsarbeitslager Roggendorf/Pulkau – Labor zu Kunst, Partizipation und digitalen Räumen“ setzt sich mit der Geschichte des Granitsteinbruchs in Roggendorf/Pulkau auseinander. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden hier ab 1941 sowjetrussische Kriegsgefangene und polnische sowie ukrainische Zwangsarbeiter eingesetzt, ab November 1944 kamen jüdische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus Ungarn dazu.
Mit neuen künstlerischen Formaten und Praxen des Erinnerns, Lesbarmachens und Vergegenwärtigens werden Wege zu einer neuen Erinnerungskultur unter Einbeziehung einer partizipativen Wissensproduktion vor Ort erarbeitet. Auf diesem Weg sollen vergessene Orte mit belasteter Geschichte im digitalen Raum sichtbar werden. Zum einen setzt das Projekt auf interdisziplinäre Zugänge, in denen Kunst, Wissenschaft (Humanities und Digital Humanities, Zeitgeschichte und Digital Memory Studies) sowie Digital / Creative Media Technologies zusammenwirken. Diese Ansätze werden erweitert zur Transdisziplinarität, indem sie zum anderen verbunden werden mit einer partizipativen Wissensproduktion mit den lokalen Communities. Im konkreten Fall gehören zu den lokalen und regionalen Projektpartnern die Stadtgemeinde Pulkau, der Kulturverein „Bildung hat Wert. Pulkau“, das Krahuletz Museum Eggenburg, das Museum Retz, das Museum Horn. Weitere lokale Vereine und Initiativen werden zur Mitarbeit eingeladen. Daraus entstehen wichtige Impulse für die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Ort.
Der partizipatorische Charakter des Projektes zeigt sich auch darin, dass die Projektergebnisse open access zugänglich gemacht werden. Die in diesem Pilotprojekt entwickelten Leitfäden, Vorlagen und erprobten Tools können von interessierten lokalen Communities, Kulturinstitutionen, Bildungseinrichtungen und Schulen schnell und unkompliziert für die Schaffung neuer digitaler Räume für weitere Orte mit belasteter NS-Geschichte benutzt werden.
Weitere Informationen: Ass.-Prof. Dr. Edith Blaschitz, Department für Kunst- und Kulturwissenschaften, Donau-Universität Krems, Telefon +43 (0)2732 893-2554,
E-Mail edith.blaschitz@donau-uni.ac.at, www.donau-uni.ac.at/dkk, www.spurenlesbarmachen.at und www.donau-uni.ac.at/de/forschung/projekt/U7_PROJEKT_4294970613