06.06.2005 | 09:32

11. Europaforum Wachau eröffnet

Pröll: Europäische Ziele nur mit regionaler Bodenhaftung zu erreichen

In der Benediktinerabtei Göttweig fand an diesem Wochenende unter dem Titel „Perspektiven für die Zukunft - Europa ein Jahr nach der Erweiterung“ das mittlerweile 11. Europaforum Wachau statt. Die europäische Tradition des Meinungsaustauschs am Göttweiger Berg diene dazu, in einer Diskussionsplattform Europa kompakter, besser und stabiler zu gestalten und den „Kern des europäischen Geistes im Herzen zu spüren“, betonte dabei Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll.

Zur Bilanz nach einem Jahr EU-Erweiterung und 10 Jahren österreichischer EU-Mitgliedschaft sagte der Landeshauptmann, dass die EU-Erweiterung Niederösterreich, das sich gut positioniert und penibel darauf vorbereitet habe, viel Positives gebracht habe. Das Land habe wieder Nachbarn bekommen und wirtschaftlich profitiert; dazu seien neue Netzwerke im europäischen Raum gestaltet worden. Die EU-Erweiterung sei aber nicht nur ökonomisch gesehen ein absoluter Fortschritt, sondern stehe auch für den europäischen Grundgedanken, unter einem gemeinsamen Dach zu wohnen. Es gäbe keine zweite Region in Europa, wo das Zusammenwachsen so unmittelbar spürbar und zu sehen sei wie in Niederösterreich.

Gleichzeitig erscheine, so Pröll weiter, Europa in der Öffentlichkeit immer gegensätzlicher und widersprüchlicher: Die Einigung gehe flott voran, das europäische Bewusstsein bleibe jedoch auf der Strecke, der Wohlstand in Europa werde immer größer, gleichzeitig aber auch Arbeitslosigkeit und soziale Spannungen; Europa werde von immer mehr Verantwortungsträgern gemacht, immer mehr Menschen könnten damit aber immer weniger anfangen. Um aus dieser „europäischen Depressionsphase“ herauszukommen, dürfe Europa nicht die Summe der EU-Organe, sondern müsse „ein Produkt menschlichen Zusammenlebens sein“. Die EU müsse eine Union der Bürger für Bürger sein und nicht der Staaten, gemacht von Bürokraten.

Zudem müssten mit ehrlichem Verständnis für die Regionen des Kontinents Vielfalt und Unterschiedlichkeit als „Motor des Zusammenwachsens“ akzeptiert werden, Einheit aus Vielfalt sei die „stärkste Klammer“ für Europa. Europäische Ziele seien nur mit regionaler Bodenhaftung zu erreichen, so der Landeshauptmann.

Landesrätin Mag. Johanna Mikl-Leitner, Präsidentin des Europaforum, erinnerte an den jahrhundertelangen Traum der friedlichen Vereinigung Europas. Jetzt sei es wichtig, das „Haus Europa mit Feinschliff zu perfektionieren“, nachdem es zuletzt zu einem „Abbröckeln des Putzes“ gekommen sei. Es sei notwendig, dass Europa aus dieser Niederlage lerne und sich der Bürgernähe annehme. Die EU müsse demokratischer, transparenter, effizienter werden und eine gemeinsame Stimme finden.

Außenministerin Dr. Ursula Plassnik nannte das französische und niederländische Nein einen Warnschuss, der Europa vor eine große Bewährungsprobe stelle. Gefragt seien jetzt eine „neue europäische Aufmerksamkeit nach innen“ sowie eine nüchterne und unaufgeregte Analyse. Der Platz dürfe jetzt nicht „Wunderheilern, Besserwissern und Sündenbockjägern“ überlassen werden. Mit technokratischen Reparaturen werde der „europäische Zorn“ nur größer, Aufrufe zu einem sofortigen Ratifikationsstopp seien ebenso unzulässig wie eine „Verfassung Light“.

Der türkische Außenminister Abdullah Gül sagte, die Stärke der EU sei der Mehrwert, den jedes Mitgliedsland einbringe. Der europäische Einigungsprozess habe immer Rückschläge wie die letzten beiden Referenden überwunden, die gemeinsame Zukunft liege in einem Europa, das dank der "Kultur des Kompromisses" stark und einig sei. Ein EU-Beitritt der Türkei wäre nicht nur eine weitere Erweiterung, sondern ein wichtiger Beitrag zur Nachbarschaftspolitik der EU vom Nahen Osten bis zum Kaukasus.

Vuk Draskovic, Außenminister von Serbien und Montenegro, sprach von der historischen Chance und Verpflichtung, jene Barrieren abzubauen, die bisher verhindert hätten, dass „alle Blumen Europas in einem Strauß zusammengefasst“ werden können. Nur in einem „demokratischen Europa interdependenter Regionen“ könne am Balkan das schwere Erbe abgelegt und eine gemeinsame Zukunft begonnen werden.


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