06.05.2002 | 00:00

Festakt „Evangelisch in Niederösterreich“

Pröll: Wiederaufbau einer immateriellen Wertestruktur

Auf der Schallaburg, wo seit 20. April 2002 auch die Ausstellung „Evangelisch! Gestern und Heute einer Kirche“ läuft, fand am Samstag der Festakt „Evangelisch in Niederösterreich“ statt, der daran erinnern sollte, dass vor 375 Jahren die evangelischen Pfarrer und Lehrer aus Niederösterreich vertrieben wurden und vor 350 Jahren die systematischen Verfolgungen der evangelischen Niederösterreicher begannen.

Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll, der im Zuge der Feierlichkeiten auch zwanzig Ehrenzeichen und sechs Gedenkmedaillien an Persönlichkeiten der evangelischen Kirche überreichte, betonte in seiner Festansprache, heute sei deutlich zu spüren, dass die Vergangenheit nicht tot und nicht einmal vergangen sei. Der Festakt sei eine leuchtende Stunde der Mahnung, dass so etwas nie wieder stattfinden dürfe. Als unabdingbarer Optimist glaube er daran, dass die Menschheit aus der Geschichte lerne. Das Zauberwort dafür sei Toleranz. Auch heute noch habe man alle Hände voll zu tun, aktiv Toleranz zu üben und gegen Intoleranz, Rassismus, Fanatismus und Brutalität einzutreten. Auch heute noch sei es selbstverständlicher Bestandteil der Tagesnachrichten, dass Menschen wegen ihrer Religion vertrieben und ermordet werden.

Neben gelebter Toleranz forderte der Landeshauptmann auch zu einem Wiederaufbau der immateriellen Wertestruktur auf. Der Materialismus habe vieles verschüttet, was den Menschen ausmache. Wesentlich sei auch, das gute Beispiel zu pflegen. In Niederösterreich sei das Klima fest verankert, nicht neben – sondern miteinander zu leben. Evangelische Mitbürger hätten viel eingebracht in die „Familie Niederösterreich“. Als Katholik und Landeshauptmann danke er für den Geist der Ökumene im Land, so Pröll abschließend.

Superintendent Mag. Paul Weiland führte aus, das Motto „Jahr der Erinnerung“ gemahne an bedrückende Zeiten, aber nicht um aufzurechnen, sondern um Erfahrungen für ein besseres Morgen zu sammeln. Vor 350 Jahren seien Soldaten durch das Land gezogen, um Evangelische aufzuspüren, heute schließen einander Glaube und Toleranz nicht aus. Univ.Prof. Dr. Gustav Reingrabner, Leiter der Ausstellung, sagte, Bewahrung der Tradition aus einer Zeit, als sich rund Dreiviertel der Bevölkerung evangelisch fühlte, trage dazu bei, den eigenen Standort zu bestimmen und gegenseitiges Verständnis wachsen zu lassen. Heute in Niederösterreich evangelisch zu sein, bedeute auch, zu erinnern, was Evangelische im Land geleistet und gelitten hätten.

Pfarrer Eberhart Krauß, Leiter einer Delegation von 44 Nachkommen von während und nach dem Dreißigjährigen Krieg durch Ferdinand III. aus Niederösterreich nach Franken vertriebenen Niederösterreichern, betonte, Sinn der Spurensuche sei nicht das Entdecken toter Ahnen, sondern die Begegnung mit lebenden Menschen. Bischof Mag. Herwig Sturm meinte, erinnern sei die Voraussetzung für Begegnung, Begegnung sei Voraussetzung für ehrliches Erinnern. Vor Gott seien sowohl Einheit und Vielfalt als auch Glaubensüberzeugung und Dialog möglich.


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