11.04.2001 | 00:00

Bauplan der Stadt, Orientierung der Kirche schließen Lücke

Reidinger: Marchegg wurde zu Ostern 1268 gegründet

Im Jahr 1268 war der Gründonnerstag, der am Anfang des Leidens, Sterbens und schließlich der Auferstehung Jesu Christi steht, der 5. April. An diesem 5. April 1268, so verriet die geknickte Achse der Pfarrkirche in Marchegg ihrem Erforscher, Dipl.Ing. Dr. Erwin Reidinger, wurde in Richtung Sonnenaufgang das Langhaus orientiert. Drei Tage später, also zu Sonnenaufgang des Ostersonntag, 8. April, war dann die Orientierung des Chores der Pfarrkirche in Marchegg im Rahmen einer heiligen Handlung festgelegt. Die Quellenlage über die Entstehung der Pfarrkirche ist dagegen eher unbefriedigend, da die Angabe des Gründungstages fehlt: „1268. Civitas in Marhecke ab Othakaro rege Bochemie construitur“ äußerten sich damals relativ vage die Annalen. Reidinger: „Der rekonstruierte Bauplan der Stadt und die Orientierung der Pfarrkirche schließen die Lücke auf den Tag genau. Die geknickte Kirchenachse gibt die Antwort nach dem Tag der Stadtgründung.“

Im Mittelalter war es bekanntlich üblich, Kirchen nach der aufgehenden Sonne zu orientieren. Dabei galt die Sonne als Symbol für Christus. Der Vorgang der Orientierung lief in zwei Stufen ab: Zuerst wurde das Langhaus genau nach der aufgehenden Sonne ausgerichtet und die Lage der Triumphpforte bestimmt. Dann erfolgte in einer zweiten Stufe die Orientierung des Chores an einem Sonn- oder Feiertag und durch einen Bischof. Symbolisch gesehen kann man darin die Hinführung vom irdischen zum himmlischen Leben sehen, wobei der Knickpunkt der Achse als Grenzpunkt zwischen Tod und Auferstehung verstanden werden kann. In Marchegg kommt das in Verbindung mit Christus durch die Orientierungsfolge von Gründonnerstag zum Ostersonntag, der die Auferstehung Jesu Christi feiert, ganz deutlich zum Ausdruck. Die Kurzform könnte lauten: Christus auf Erden – Christus im Himmel.

Die Stadt in der Aulandschaft der March wurde von König Ottokar von Böhmen zum Schutz gegen den Feind im Osten gegründet. Die Abmessungen der Stadt betragen 400 mal 400 Klafter (ein Klafter sind 1,83 Meter). Im Vergleich dazu misst etwa die Stadt Wiener Neustadt 340 mal 400 Klafter (ein Klafter sind 1,77 Meter). Die Stadtmauer von Marchegg ist an drei Seiten teilweise oder sogar voll erhalten. Ihre Stärke beträgt 7 Fuß (2,10 Meter). Marchegg wurde übriges nie vollständig ausgebaut. Auch heute werden noch innerhalb des Vierecks Felder bestellt.

Die Kirchenachse ist in der Geometrie der Stadt eingebunden und daher auch der Schlüssel zum Datum der Gründung Marcheggs. Im Mittelalter dachte man bekanntlich anders als heute: Leben und Glauben waren ebenso wie Staat und Kirche eine Einheit. Das kommt auch durch die Stellung der Pfarrkirche im Stadtgefüge deutlich zum Ausdruck. Die Planung der Stadt ist mit jener der Kirche verknüpft. Ostern ist für Marchegg der heilige Tag, durch den die Stadt dem göttlichen Schutz und Segen anvertraut wurde. Im 1192 gegründeten Wiener Neustadt ist der heilige Tag Pfingsten.

Der Chor der Marchegger Pfarrkirche zählt zu den frühen Beispielen gotischer Baukunst in Österreich. Das Langhaus ist heute verkürzt. Der Grundriss und die ehemalige Länge konnten jedoch durch eine Georadar-Prospektion erforscht werden. Dabei hat sich – im Gegensatz zur bisherigen Auffassung einer dreischiffigen Basilika – ein einschiffiger Grundriss mit zwei Seitenkapellen ergeben. Der Portalpunkt der Kirche ist dabei zugleich der städtebauliche Bezugspunkt.


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