27.03.2001 | 00:00

„Bin beeindruckt von der Situation im Retzer Land“

Juncker-Besuch im Grenzland

„Wenn man eine Stadt kennen lernen will, sollte man sie zu Fuß durchstreifen. Das Grenzland Niederösterreichs zu Südmähren konnte ich – dank Landeshauptmann Pröll – mit dem Hubschrauber aus der Vogelperspektive betrachten. Jetzt nütze ich die Gelegenheit, mit den Menschen zu sprechen. Soviel vorweg: Ich bin beeindruckt, denn ich habe trotz umfassender schriftlicher Informationen aus Brüssel eigentlich nichts gewusst!“ So die ersten Eindrücke des Luxemburger Premierministers und Europapolitikers Jean-Claude Juncker, der gestern gemeinsam mit Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll das Retzer Land besuchte und im Rahmen des Symposions „Chancen der EU-Erweiterung“, veranstaltet durch die NÖ Landesakademie, einen Vortrag hielt. Er empfinde ein Glücksgefühl, die Grenze zu Südmähren zu besichtigen und sich dabei vorzustellen, wie die Situation noch vor wenigen Jahren zur Zeit des Eisernen Vorhanges war. Die damaligen Visionäre hätten sich mittlerweile als die eigentlichen Realisten herausgestellt. Die Sorgen, die es heute mit der Grenzöffnung und der EU-Erweiterung gebe, sollten nicht davon abhalten, neue Prioritäten zu setzen. Man müsse im Leben der Nationen einen Schlussstrich ziehen, allerdings einen, der mit zarter Feder gezogen wird. Heute gehe es darum, Wunden zu heilen und gemeinsam Gerechtigkeit für die Menschen zu schaffen. Bei der Vereinigung Europas gehe es nicht darum, Staaten zusammenzubringen, sondern vielmehr Menschen zusammenzuführen. Die Grenzen, auch jene in den Herzen und in den Köpfen, sollten in gegenseitigem Respekt überwunden werden. Für die Arbeitnehmer Freizügigkeit zu schaffen, das stelle zweifellos ein großes Problem dar. Fixe Übergangsfristen seien hier nicht zielführend, vielmehr sollten Möglichkeiten zum korrigierenden Eingriff eingebaut werden unter Beachtung des Ambientes der Menschen jenseits der Grenze. Die Regelungen sollten für jeden erträglich und zumutbar sein, meinte Juncker.

Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll zeigte sich stolz auf die Entwicklung der Region und auf Initiativen wie die bi-kulturelle Bundeshandelsakademie Retz, wo seit zehn Jahren österreichische und tschechische Schüler gemeinsam zweisprachig zu Handelskaufleuten ausgebildet werden. Es selbst kenne die hoffnungslose Stimmung sehr gut, als das Retzer Land noch Grenzland an der toten Grenze war und man sich nicht vorstellen konnte, jemals einen Fuß über die Grenze setzen zu können. Durch die Öffnung der Grenzen 1989 sei eine völlig andere Situation entstanden. Bei aller Euphorie habe es aber auch Missstimmung und Sorgen gegeben. Diese Sorgen seien ihm aber bedeutend lieber als jene vor 12 Jahren, weil man jetzt gestaltend eingreifen könne, während früher eine ausweglose Situation zu existieren schien. Pröll wies darauf hin, dass die europäische Einigung in erster Linie einen Friedensauftrag beinhalte, erst in zweiter Linie gehe es um die Finanzen. Allerdings müsse man die Sorgen ernst nehmen, die den Arbeitsmarkt, die Sicherheit und die Situation der Bauernschaft betreffen. Jetzt bestünde die Chance, Ängste und Sorgen abzubauen. Die Niederösterreicher seien ein Volk, das offensiv an Problemlösungen herangeht: mit dem Fitness-Programm, mit bi-kulturellen Projekten und mit dem Werben um neue Freunde in Europa. Er sei froh darüber, dass der bedeutende Europapolitiker Juncker seine Einladung angenommen habe, sich selbst ein Bild von der Situation des Grenzlandes zu machen. „Alles, was in Europa entschieden wird, betrifft auch Niederösterreich, und jede Entscheidung hier betrifft ebenso Europa“, stellte Pröll fest. Dieses Land baue und hoffe auf Politiker wie Jean-Claude Juncker, so Pröll.


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